17.03.20 > Verein

"Der Chef geht von Bord"

Für Matthias Hajenski schließt sich beim TSV Blasbach der Kreis. Der 62-Jährige sagt dem Fußball als Funktionär auf Wiedersehen.

Weizenbock, Lichtgeschmack, Fruchtnote, Schaumqualität, Glaskunde: Wenn Matthias Hajenski über Bier redet, kommen seine Gegenüber aus dem Staunen nicht mehr heraus. Besonders Männer. Seit 1987 ist der 62-Jährige im Business, seit 2002 Geschäftsführer der in Wetzlar ansässigen Brauring-Kooperation, einem Zusammenschluss von rund 220 Privatbrauereien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, der es sich zum Ziel gesetzt hat, für den Mittelstand der Gerstensaft-Hersteller Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, dem Druck der großen Konzerne standzuhalten. Angefangen vom gemeinsamen Einkauf über bessere Konditionen, Beschaffung von Ersatzteilen bis hin zur Ausrichtung von Seminaren und Weiterbildungen, Verkostungen und Sensorik-Workshops, die Sommeliers helfen sollen, Bier in seiner eigenen Fachsprache besser beschreiben zu lernen.

 

Vier, fünf Jahre möchte Hajenski diesen Job noch machen. Für ihn ist Beruf Berufung. Jeder seiner Sätze, mit denen er schon mal äußerst unterhaltsame Abende füllen kann, beschreiben seine Leidenschaft für Pils, Radler oder Weizen, für alkoholfreie Weißbiere, Helles Lager, Rauchbiere oder Obergärige. Er kennt sie. Und er liebt sie. Zu allen hat er eine Geschichte parat, zu allen weiß er etwas zu erzählen.

 

Wie in einem Leben zwischen Schreibtisch, Auto, Terminen und Hotel Jahre, ja Jahrzehnte Platz war für ein Hobby, das weiß Matthias Hajenski selbst nicht so recht. Als Spieler, Spielertrainer, Coach, Betreuer, Manager, Arzt und Vorsitzender hat er dem TSV Blasbach lange gedient. Doch damit ist bald Schluss.  "Endlich möchte ich meine Wochenenden selbstbestimmend verbringen. Fast 55 Jahre lang habe ich samstags und sonntags nur Fußball gekannt, das will ich nicht mehr."

 

Der frühere Klassestürmer der ehemaligen Hessenligisten (damals Liga drei) VfB 1900 Gießen und Eintracht Haiger möchte seine Enkel Leonard (14) und Marlon (10) bei der HSG Dilltal und in Auswahlmannschaften Handball spielen sehen, er möchte seine Harley-Davidson Heritage Softail nicht in der Garage verstauben lassen und er möchte die Schönheiten der Region zusammen mit seiner Frau Monika, mit der er seit 1978 zusammenlebt und seit 1987 verheiratet ist, erkunden. "Und wenn es nur mal ein Sonntags-Ausflug in eine Bäckerei nach Heppenheim ist."

 

Nach über fünf Jahrzehnten im Dienste des Balles ist er bezüglich des TSV Blasbach mit sich im Reinen: "Wir haben keine Schulden, unser Vorstand ist intakt und voll besetzt, unser Trainerteam hat eine richtig gute Qualität, die Mannschaft für kommendes Jahr steht, egal, ob wir in der A-Liga verbleiben oder in die Kreisoberliga aufsteigen, Platz und Sportheim sind in einem ausgezeichneten Zustand und mein Nachfolger ist mit meinem bisherigen Stellvertreter Steffen Schäfer auch schon vorbestimmt." Matthias Hajenski, der vor zehn Jahren (mit 52) selbst noch die Schuhe in der ersten Mannschaft schnürte, hat als Clubchef alles dafür getan, sich zur Ruhe setzen zu können, wenngleich er betont, dass er nach seinem Ausscheiden natürlich ansprechbar bleibt, wenn Fragen aufkommen oder Probleme gelöst werden müssen. "Aber jeden Sonntag auf dem Sportplatz stehen, das ist vorbei."

 

Was dem gebürtigen Gießener "Schlammbeiser", der in der Rehschneise unweit des Waldstadions aufgewachsen ist, sicher nicht immer leichtfallen wird. Fast sein ganzes Leben hat er auf und neben dem Rasengeviert verbracht, hat viel erlebt und weiß von gar mancher netten Begebenheit zu berichten. Beispielsweise von seinem ersten Hessenliga-Match für den VfB 1900, als Spielertrainer und Torwart Rolf Birkhölzer ihn als 18-Jährigen am Riederwald bei den Eintracht-Amateuren (1:1) einwechselte und er an der Seite von Wolfgang Pörschke, Winfried Döring, Rainer Jäger, Ernst Deuchert, Peter Gänßler, Günter Emrich und Rainer Müller erstmals Drittliga-Luft schnuppern durfte.

 

Beispielsweise von seinem Wechsel zur Haigerer Eintracht, als "ich so fit war wie noch nie, weil Trainer Dieter Mietz uns hat stundenlang mit Medizinbällen umherlaufen lassen." Beispielsweise von seinem Schien- und Wadenbeinbruch, den er sich 1987 im Trikot des VfB Aßlar in der Partie beim FSV Cappel zuzog und der seine Karriere in oberen Ligen jäh beendete. Und beispielsweise von der Rasenplatzeinweihung in Blasbach, zu der er als Gastspieler eingeladen worden war. "Irgendwie hat es an diesem Tag gefunkt, irgendwie bin ich dem TSV seit diesem Tag eng verbunden geblieben."

 

In schlechten Zeiten, als der Club Personalsorgen hatte, als, wie es Matthias Hajenski mit einem Lächeln auf den Lippen formuliert, "jeder geglaubt hat, das Training schwänzen zu müssen, nur weil der Hund eines Nachbarn ein neues Halsband bekommen hat." Und in guten Zeiten, die der Verein auch erlebt, seit der ehemalige Braunfelser Stürmer Jürgen Schuster auf der Kommandobrücke steht und ein Team in Richtung Kreisoberliga führen möchte, in dem niemand - und darauf ist der scheidende Vorsitzende besonders stolz - "auch nur einen Cent von uns bekommt."

 

Hinter dem schon fast enteilten A-Liga-Tabellenführer Türk Ata/Türkgücü ringen die SG Nauborn/Laufdorf, der FC Burgsolms II, der TSV Steindorf und eben den TSV Blasbach um Relegationsrang zwei. Einen Tag nach der Jahreshauptversammlung hätte Blasbach eigentlich bei Spartak Wetzlar gastiert. Wäre die Runde wegen des Coroniavirus nicht ausgesetzt worden, so hätte diese Partie erstmals ohne Matthias Hajenski am Spielfeldrand stattgefunden.

 

Bericht: WNZ

 

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